#12 Escape New Zealand
#12 Escape New Zealand
Wir starten unseren Weg an die Westküste mit einer morgendlichen Runde Frisbee bei schönstem Wetter, die Chancen stehen dementsprechend gut, dass von den Überflutungen und gesperrten Straßen, die zu Beginn unserer Reise auf der Südinsel unsere Route im Osten haben beginnen lassen, nichts mehr übrig ist. Der Haast-Pass, der uns von der Ost- auf die Westseite der Southern Alps bringt, ist jedenfalls problemlos zu befahren und unser kleines Auto bringt uns im Windeseile auf die andere Seite. Obwohl der Pass nur 560 Meter hoch liegt, gibt es schöne Wasserfälle zu entdecken, wir halten an den Fantail-Falls (vermutlich der einzige Ort in Neuseeland ohne Fantails…) und den 28 Meter hohen Thunder Creek Falls.
Endlich weitet sich das Tal zu einer breiten Flussebene und wir erreichen die Westküste. Den ersten Stopp machen wir am Ship Creek, ein Strand, der seinen Name von einem mysteriösen, angeschwemmten Wrackteil hat, dessen Herkunft jahrelang Rätsel aufgab, bis sein Ursprung schließlich in einem Schiffsunglück in Australien gefunden wurde. Jetzt ist am Strand nur noch angeschwemmtes Treibholz zu finden, aber dafür bietet der hier ins Meer mündende Fluss mit den ihn umgebenden Sumpfgebieten eine mysteriöse, Abenteuer versprechende Landschaft durchdrungen von vielfältigen Vogelgesängen. Zwischen den Blättern einer kleinen grünen Insel inmitten des schwarzteefarbenen Moorwassers entdecken wir noch eine ganz schön große, auf Beute lauernde Spinne, bevor wir dann die Schiffswrack-Bucht hinter uns lassen.
Nächster und letzter Stopp der heutigen Fahrt ist Franz-Josef-Village, nicht der kreativste Name für das kleine Dorf am gleichnamigen Gletscher (benannt nach dem österreichischen Kaiser, der überhaupt nichts mit Neuseeland am Hut hatte, deshalb lieber der Māori-Name: Kā Roimata o Hine Hukatere). Wir übernachten auf einem sehr vollen, aber durch hohe, farnbewachsene Hecken gut unterteilten Campingplatz und starten am nächsten Morgen früh (schon wieder um 6 Uhr aufstehen!) zu einer Wanderung auf den Alex-Knob-Gipfel, der die beste Sicht auf den Gletscher bieten soll. Wir befürchten ein wenig, wie beim Roy’s Peak schon frühmorgens einen vollen Wanderparkplatz vorzufinden, aber die Sorge erweist sich als unbegründet, außer uns ist genau ein anderes Auto schon am Start. Wir können den schönen, schmalen Weg durch den bewaldeten Berghang also alleine genießen, nur eine Sache stört die morgendliche Ruhe der Natur… Hubschrauber! Und nicht nur ein paar wenige, alle zehn bis fünfzehn Minuten dröhnt einer über unsere Köpfe in Richtung des Gletschers. Solche scenic flights sind anscheinend sehr beliebt und fast überall zu finden in Neuseeland. Doch davon abgesehen ist die Wanderung schön, etwas anstrengend und belohnt uns am Gipfel tatsächlich mit einem tollen Blick auf den Gletscher, wofür wir gerade noch rechtzeitig angekommen sind. Kaum sind wir oben, ziehen die Wolken aus dem Flussbett in die Höhe und vernebeln den Blick ins Tal.
Zurück im Tal geht es für uns weiter die Küste entlang Richtung Norden, bis uns Google Maps von der Küstenstraße in einen schmalen Kiesweg einbiegen lässt, der in einem dunklen, dichtwuchernden Wald verschwindet. Wir folgen ihm, weichen den meisten Schlaglöchern aus und landen schließlich an einem See, dem Lake Makinapua, an dessen Ufer eine Wiese mit Dusch-, Klo- und Küchenhäuschen ist, auf dem wir die nächsten zwei Nächte zelten werden (das ist zumindest der Plan).
Wir schlafen ausgezeichnet – zwölf Stunden lang! War wohl doch ein bisschen wenig Schlaf die letzten Nächte. Nach einem ausgeschlafenen und ausgezeichneten Frühstück mit Pancakes vom Gaskocher schauen wir an einem Strand in der Nähe vorbei, an dem wir vor allem unsere Frisbee-Skills trainieren. Wir schaffen hundert Pässe am Stück! Im Anschluss geht es nach Hokitika, ein kleines Städtchen am Meer, in dem wir – außer einer Bäckerei mit sehr leckerem Chilli-Cheese-Pie – nicht viel spannendes entdecken, aber das dortige Kiwi-Camp mit unserem restlichen Kiwi-Camp-Guthaben für Wlan, eine heiße Dusche und das Aufladen unserer Geräte nutzen können.
Zurück auf unserer Zeltwiese verkriechen wir uns nach dem Abendessen schnell im Zelt, als plötzlich ein metallenes Geräusch aus dem Vorzelt zu hören ist. Seltsam… Vermutlich hat die im Wind flatternde Zeltplane die leere Tomatensaucen-Blechdose umgeworfen. Doch das seltsame Geräusch erklingt kurz darauf nochmal und als Annika den Kopf ins Vorzelt streckt, sieht sie sich, Auge in Auge, einem Wēka gegenüber, der, beim Versuch, die Dose zu stibitzen, erwischt, hektisch unter der Zeltplane hindurch ins Freie huscht.
Draußen beginnt es, nachdem wir wieder in unsere Schlafsäcke gekrochen sind, ordentlich zu regnen. Schön entspannt eigentlich, wir spielen ein Würfelspiel, aber irgendwie wird es – Déjà-vu – von unten immer nasser. Wir fliehen also, mal wieder, ins Auto.
Als wir morgens aufwachen, wundert uns gar nicht mehr, weshalb wir von unten langsam geflutet wurden: Unser schönes kleines rotes Zelt steht in einer gewaltigen Pfütze, aber – um unsere Platzwahl ein bisschen zu verteidigen – nicht nur wir sind untergegangen. Die ganze Wiese hat sich über Nacht in einen Sumpf verwandelt, der sich nur noch knöcheltief durch Pfützen watend durchqueren lässt.
Zeit für uns, zurück an die Ostküste zu fahren, bevor die Westküste wieder untergeht und so stopfen wir unser klatschnasses Zelt in den Kofferraum, decken uns in Hokitika mit Frühstück und Snacks für die Fahrt ein und machen uns auf zum Arthur’s Pass. Auch bei dieser Überquerung der Southern Alps muss sich unser Auto nicht sonderlich anstrengen, aber die Belastung reicht aus, dass aus einem kleinen Steinschlag auf der Windschutzscheibe mit einem Mal ein 20 Zentimeter langer Riss wird. Das ist nicht so ganz beruhigend, weshalb wir den restlichen Weg mit rund 60 km/h hinter uns bringen, zu unserem Glück ist wenig los auf der Strecke…
Endlich kommen wir in Christchurch an! Glück gehabt, der Riss ist nicht gewachsen und so können wir beruhigt auf einem netten Campingplatz am Stadtrand einchecken. Wir beschließen angesichts des stetig vor sich hintröpfelnden Regens und unseres immer noch durchgeweichten Zeltes gleich im Auto zu schlafen und unser Zelt am nächsten Morgen zum trocknen aufzuhängen.
Unser Plan klappt und mit frisch gepackten Rucksäcken und fast trockenem Zelt gehen wir morgens unser Auto aussaugen und putzen, bevor wir dann schon mal bei dem Airbnb-Zimmer, das wir für die letzte Nacht in Neuseeland haben, parken. Wir fahren mit dem Bus in die Innenstadt von Christchurch, wo es uns erst mal in den botanischen Garten verschlägt; wir können uns mal wieder im Vögel fotografieren üben… Im Anschluss versuchen wir mit mittelmäßigem Erfolg, in der Innenstadt interessante Läden zu entdecken, aber außer einem tollen Buchladen werden wir nicht so fündig. Wir landen schließlich in einem wirklich hübschen Café, wo wir den frühen Abend verbringen, bevor dann noch etwas Besonderes auf dem Programm steht: The memories of Nikola, ein Escape-Room, bei dem es, welcher Nikola auch sonst – um Nikola Tesla geht. Wir sind beide ganz schön aufgeregt und die im Flur verteilten Minirätsel, von denen wir einige überhaupt nicht rausfinden, tragen nicht unbedingt zu unserer Beruhigung bei. Wir werden in einen Raum geführt, bekommen ein Walkietalkie (für Tips) und dann geht es los! Wir beginnen, alles im Zimmer genau unter die Lupe zu nehmen und finden schnell die ersten Hinweise. Von da an flowt es sehr gut und wir können eine ganze Reihe an Rätseln lösen, viele davon mit elektronischen Mechanismen, Lichtern, Schaltern und Kabeln.
Eine ganz besondere Überraschung hat der Raum dann auch noch parat (Spoilerwarnung: Wer zufällig in Neuseeland ist und den Raum selbst noch spielen will, nicht weiterlesen!). Nachdem wir im Arbeitszimmer Teslas ein paar Rätsel gelöst hatten, kamen wir in einen zweiten Raum, eine kleine Werkstatt, in dem wir eine Apperatur zusammenbauen und dann zurück ins Arbeitszimmer mussten. Dort wurde uns von Teslas alter, größerer und abgebrannter Werkstatt erzählt. Danach wurden wir – durch dieselbe Tür wie beim ersten Mal – wieder in Teslas Werkstatt geschickt, doch dieses Mal fanden wir, obwohl wir nur wenige Minuten im Arbeitszimmer waren, einen komplett anderen, größeren Raum vor, in dem wir dann die letzten Rätsel lösen mussten. Ein Raumwechsel in unter fünf Minuten, das ist ganz schön überraschend!
Nach nur 45 Minuten und 21 Sekunden können wir, nach der Lösung des letzten Rätsels, den Raum verlassen, ohne einen Tipp gebraucht zu haben! Das – und vor allem unseren letzten Tag in Neuseeland – feiern wir zum Abschluss noch mit einer Pizza, bevor wir dann, auch nochmal eine spannende, abendliche Herausforderung, aufgrund des leeren Handyakkus ohne Navigation heim finden müssen. Wir finden den Weg und fallen müde – ganz ungewohnt – ins Bett statt in unsere Schlafsäcke und schlafen tief und fest.
Am nächsten Morgen sortieren wir noch schweren Herzens ein paar gesammelte Steine aus, bevor wir unser Auto abgeben. Das funktioniert trotz Steinschlag reibungslos und so können wir mit großzügigem Zeitpuffer bis zu unserem Flug noch eine ausgedehnte Snack-Einkaufsrunde machen. Mittags geht es dann mit einchecken los und wir kommen ohne Probleme bis ans Gate, von wo am Nachmittag unser Flug nach Melbourne startet.