#06 Big Trout. Big Fun.

#06 Big Trout. Big Fun.

Big Trout. Big Fun. 
 
Sind wir unter die Angler gegangen? Zumindest sind wir mitten unter ihnen, seit wir Rotorua hinter uns gelassen und uns nach Tūrangi gewagt haben. Schließlich behauptet Tūrangi sogar, “the trout fishing capital of the world” zu sein, aber, kaum zu glauben, dieser Umstand hat mit unserem Entschluss, nach Tūrangi zu fahren, sehr wenig zu tun. Vielmehr sind es die hinter Tūrangi aufragenden Bergketten im Tongariro-Nationalpark, die uns in diese Ecke Neuseelands gelockt haben und die wir planen, gleich am nächsten Tag auf dem Tongariro-Crossing zu durchwandern.
 
Als wir auf unserem sehr sympathischen, aber leicht in die Jahre gekommenen Campingplatz unser Zelt aufbauen (wofür wir mittlerweile übrigens noch höchstens zehn Minuten brauchen) wissen wir noch nicht, dass wir mehr als nur die geplanten zwei Nächte im Tūrangi verbringen werden… Wir genießen gerade die Sonne, die unser Zelt auf angenehme Temperaturen bringt, als wir eine unerwartete E-Mail bekommen:
 
All week to Friday at this stage weather conditions are unsafe, low visibility, rain, cold, high winds. Change of Alpine seasons.
 
We will not be operating.”
 
We will not be operating. Diese Nachricht wirbelt – wie der Wind im Nationalpark – unsere Pläne gewaltig durcheinander, denn sie stammt von dem Shuttlebetreiber, der uns zum Ausgangspunkt des Wanderweges durch den Nationalpark bringen sollte. Und da alle Shuttle-Betreiber in Tūrangi zusammenarbeiten, wird uns auch niemand anderes die 37km bis dorthin fahren. Wir kommen also vorerst nicht in den Nationalpark. 
 
Ärgerlich… Aber es gelingt uns mit einer langen und komplizierten Reihe an Umbuchungen und dem Entschluss, zwei Tage weniger in Wellington einzuplanen, unseren Aufenthalt in “the trout fishing capital of the world”, Tūrangi, um zwei Tage zu verlängern. Eigentlich hätten wir unsere Reisepläne lieber nur um einen Tag verschoben, aber da der Intercity Bus Sonntags nicht in Tūrangi hält, bleiben wir – was sich als großes Glück herausstellen wird – bis Montag.
 
Den nächsten Tag, Karfreitag übrigens, verbringen wir, wie es sich für Trout-City gehört, am Tongariro-River, der sich mit seinem kristallklaren Wasser hervorragend fürs – ihr werdet es kaum ahnen können – Forellenfischen eignet. Aber enttäuschenderweise sind wir gar nicht für die Trouts am Fluss, sondern laufen den Tongariro River Trail, der in einer weiten Runde stromauf- und stromabwärts den Fluss entlang führt. Der Weg stellt sich allerdings als ein bisschen langweilig heraus, da er zum großen Teil einen ziemlich weiten Bogen um den Fluss macht. Aber wir werden glücklicherweise von einer beeindrucken Menge an Geocaches bei Laune gehalten, die in regelmäßigen Abständen in dem farnbewachsenen Wald unter Baumstümpfen und Steinhaufen verborgen sind. Von den 14 auf unserem Weg finden wir 13 Dosen, keine schlechte Quote. Ein großer (na ja…) Rückschlag ist dann noch, dass das National Trout Center, an dem unser Weg vorbei führt, heute geschlossen ist! Tragisch… Aber immerhin wartet beim Trout-Center ein kleiner Fluss mit – wer hätte es gedacht – Forellen auf uns, Glück gehabt. 
Zurück in Tūrangi erwartet uns eine nicht so willkommene Überraschung, schon wieder eine Shuttletransport-Absage! Das Wetter spielt für unsere Pläne wirklich nicht so gut mit, aber immerhin soll es sich auf Sonntag wieder so sehr bessern, dass wir diesmal sicher die Tour laufen können. Glücklicherweise fährt unser Bus sowieso erst am Montag, wodurch wir nicht alle Pläne nochmals über den Haufen werfen müssen. 
 
Statt früh morgens Richtung Nationalpark zu starten, können wir am Samstag also gemütlich ausschlafen. Mittags verlassen wir unseren Campingplatz allerdings doch noch für einen kleinen, aber sehr lohnenden Ausflug. Das Abenteuer, das uns vom Campingplatz aus auf der anderen Seite des Zaunes erwartet, ist ein Minigolfplatz, yey! Aber nicht ein langweiliger mit normalen Bahnen, sondern “Adventure Minigolf” mit Bahnen, die von den großen Sehenswürdigkeiten der Region rund um Tūrangi inspiriert sind. Also vom Tongariro-Nationalpark und, wer hätte es gedacht, Trouts! Tatsächlich machen die Bahnen aber sehr viel Spaß, da sein Golfball beispielsweise, wenn man nicht über eine schmale Brücke trifft, in einem kleinen Bachlauf landet, der ihn in eine andere Ecke der Golfbahn trägt. Zur Feier des Tages (morgen ist Ostern!) beschließen wir dann noch, dass wir einander jeweils ein paar leckere Überraschungen kaufen, nicht ganz Ostereier, aber dafür leckere Muffins und Cookies. Allerdings sind wir nicht die einzigen, die ihren Ostereinkauf machen, außer uns ist mindestens halb Tūrangi im Supermarkt.
Am Sonntag ist es dann schließlich endlich soweit. Morgens um 5:15 Uhr werden wir von unserem Shuttle abgeholt, dass uns am den Startpunkt des Tongariro-Crossings bringt. Es ist noch stockdunkel, als wir ankommen, aber an den vielzähligen Lichtpunkten der Stirnlampen vor uns ist schon erahnbar, dass die Strecke heute ganz schön voll wird. Wir laufen los und bekommen erst einmal noch eine Kostprobe der harschen Wetterbedingungen, die zwei Tage lang die Begehung verhindert haben. Der Wind, fast ein Sturm, pustet uns kalten, schneidenden Wind ins Gesicht und wir ziehen uns unsere Buffs bis über die Nasen. Erst als die ersten Spuren des anbrechenden Tages den Himmel langsam heller werden lassen, werden die Bedingungen etwas angenehmer. In der Ferne kann man in den Strahlen des ersten Sonnenlicht den perfekten Kegel des Mount Taranaki entdecken. Wir kommen gut vorwärts und erreichen, nach einem kurzen Seitenabstecher zu einem Wasserfall, bald den ersten steileren Anstieg, Er führt über Lavafelder und wir lassen die meisten Pflanzen unter uns zurück, jetzt ist die Landschaft geprägt von den Vulkanen, die den Nationalpark durchziehen. Leider ist unser Blick aber auch von den vielen anderen Wandernden geprägt, die den Weg mit uns laufen, wir hatten natürlich damit gerechnet, bei der Beliebt- und Bekanntheit der Strecke viel Gesellschaft zu haben, aber die Menge überrascht uns dann doch. Tatsächlich gewöhnen wir uns aber ganz gut an die vielen Menschen, die sich, nachdem der erste Anstieg überwunden ist, auch besser verteilen und können den tollen Weg trotzdem genießen.
 
Der erste Anstieg wird nur kurz, aber von einer sehr eindrucksvollen Kraterebene unterbrochen, die den South Crater ausfüllt. Nach deren Durchquerung windet sich der Weg über einen Felsgrad, einen Rand des South Craters, immer weiter in die Höhe, bis man den Rand des Red Crater erreicht. Dort eröffnet sich in alle Richtungen das beeindruckende Panorama der vulkanischen Landschaft, vor allem der Gipfel des Mount Ngauruhoe hebt sich als höchste Spitze beim Blick zurück aus dem Bergmassiv hervor. Aber nicht nur in der Ferne bieten die Vulkankrater einen eindrucksvollen Anblick, nur einen Schritt vor unseren Füßen fallen die farbigen Flanken des Kraterrandes in die Tiefe des Red Craters ab. Wir umrunden den Krater und machen uns auf der anderen Seite an den Abstieg, bei dem wir uns über ein Geröllfeld Schritt für Schritt langsam nach unten arbeiten. Eine angenehme Überraschung sind die warmen, von vulkanischen Dämpfen aufgeheizten Stellen an der Kante, an denen wir unsere kalten Hände aufwärmen können. Unter uns erstreckt sich jetzt eine weitere Ebene, auf der sich die Emerald Lakes und der Kratersee Blue Lake, der in der Kultur der Māori tapu (geheiligt) ist und den langen Namen Te Wai-Whakaata-o-te-Rangihīroa trägt, ausbreiten. Die Farben der Seen entstehen durch verschiedene Minerale, die aus dem sie umgebenden Gestein gelöst werden. Dass das gesamte Gebiet vulkanisch sehr aktiv ist, wird an den Steamern rund um die Emerald Lakes sichtbar, die unablässig heißen Dampf auspusten und für den uns aus Rotorua vertrauten Schwefelgeruch sorgen, der sich über die Ebene zieht.
 
Von den Emerald Lakes geht es durch die weite Ebene, auf der die Lavaströme des letzten Ausbruch des Red Craters gut sichtbar sind, bis zum Blue Lake, zu dessen Seite der Weg einen erneuten Anstieg überwindet, bis er sich dann endgültig aus den hohen Lagen der Tongariro-Bergkette verabschiedet und langsam, Kurve für Kurve, Richtung bewaldetes Tal hinab schlängelt. So langsam melden sich auch unsere Beine und Füße und wir sind froh, dass wir schon auf der letzten Etappe zum Abholpunkt sind. Der Weg hat allerdings alles andere vor, als uns schnell ans Ziel kommen zu lassen, denn die letzten Kilometer ziehen sich ewig hin und nachdem wir endlich den Wald erreichen, erwartet uns hinter jeder Biegung nur noch mehr Wald und die nächste Kurve. Abgelenkt werden wir nur von anderen Wandernden, deren Shuttle vermutlich bald kommt und die deshalb die letzten Kilometer rennend statt wandernd zurücklegen müssen. Wir haben noch entspannt Zeit. Von den acht Stunden, die wir für die 19,4 km lange Strecke Zeit haben, brauchen wir mit ausgedehnten Snack- und Fotopausen nur sieben Stunden. Trotzdem sind wir erleichtert, als wir endlich den Parkplatz erreichen, wo wir  erst mal aus den Schuhen schlüpfen und auf unser Shuttle warten können, das uns dann schließlich mit einer kühlen Dose Limonade (Fuzzy Drink) in Empfang nimmt. 
 
Am Abend schalten wir uns dann noch per Skype zum Osterfrühstück unserer Familien dazu, bevor wir schnell einschlafen.